Conny's -Kritik:
In unserer heutigen Zeit der Massenmusikindustrie, wo meistens nur Profit
und Hitplatzierung zählt, ist der anspruchsvolle Pop- Musikliebhaber
für jede rettende "Musikinsel" dankbar. Zu dieser „Musikinsel“ zählt
zweifelsohne Robert Lamm’s neues Soloalbum „Subtlety&Passion“,
ein Album mit Melodiestrukturen, die einem im Ohr haften bleiben und
man heutzutage nur selten noch hört. Ein Album mit einer enormen
Vielseitigkeit, sei es Swing-Jazz, Bossa-Nova-Jazz, Latin-Pop, Pop-Rock,
Brass-Rock, Elektro-Jazz-Rock, Hard-Rock, Reggae, Soul oder Motown R&B-
Pop, alles zelebriert Herr Lamm hier mit einer genialen Coolness, die
seine variationsreiche Gesangsstimme ohne Probleme meistert. Mit Texten,
die als intelligent und sehr lyrisch einzustufen sind und einer Begleitband,
die mehrere Chicago- Members (außer Bill Champlin spielen alle
vereinzelt mit) und auch andere Top- Studioasse enthält wird ein
Sound geschaffen, der sehr öfters auch an alte „Chicago-Tage“ erinnert.
Robert ist hier selbst „Master of all Keyboards“, er spielt
hier alle Tasteninstrumente, sogar mehrere feine Solis mit Akustikpiano
und Fender Rhodes hat er anzubieten. Wenn das nicht schon genug wäre,
er spielt sogar auch noch in einigen Songs Gitarre. Nie wirkt irgendein
Song „überproduziert“, nichts wird zugekleistert mit „Synthiedreck“,
die Keyboards werden sparsam, aber effektiv eingesetzt und lassen viel
Freiraum für die exzellenten Bläser und die Top- Begleitband.
Zu den einzelnen Songs:
1. I Could Tell You Secrets
(R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Fender Rhodes, Loops, Samples, Percussion
Hank Linderman: Acoustic Guitar, Loops, Samples, Percussion
Jason Scheff: Vintage Precision Fender Bass
Tris Imboden: “V-Drums”- Kit
James Pankow & Nick Lane: Trombone
Der Song
startet mit einem Kurzsolo von Robert auf dem Fender Rhodes, es entwickelt
sich ein rhythmischer, jazzig- angehauchter
Brass-Pop- „Robert
Lamm- Lovesong“ im Posaunenchor von Nick Lane und James Pankow,
ein gelungener Start des Albums.
2. Somewhere Girl
(H. Linderman/R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Vibes, Rhodes, Loops, Samples, Percussion
Hank Linderman: Acoustic & Electric Guitars, Rhodes Back Vocals,
Loops, Samples, Percussion
Jason Scheff: Lakland 6-String-Bass, Back Vocals
Tris Imboden: Drums
Lee Loughnane: Trumpet
Nick Lane: Trombone
Larry Klimas: Tenor Saxophone
Gerry Beckley & Tomothy B. Schmit: Back Vocals
Für mich ich diese Synthese aus Steely-Dan-Jazz-Pop, Chicago-
Brass- Rock, Bossa-Nova-Sound (H. Linderman spielt hier seine Gitarre
im Joao Gilberto Stil) und Beatles- Pop der Höhepunkt dieses tollen
Albums. Mit phantastischen, komplizierten Chorgesängen, wunderbar
klingenden Keyboards, rasanten Bläsern und wechselnden Musikthemen
stellt man sich hier schon des öfteren die Frage, wie man so viel
Musikgeschehen in einen so kurzen Song hineinpacken kann. Genial.
3. The Mystery Of Moonlight
(J. Foskett/R. Lamm)
Robert
Lamm: Lead Vocals, Synth “Nylon String Guitar”,
Acoustic Piano, Samples, Loops, Percussion
Hank Linderman: Acoustic & Electric Guitar, Samples, Loops, Percussion
Jason Scheff: Bass, Back Vocals
Jonathan Mithchell: Drums
Lee Loughnane: Trumpet, Flügelhorn
Nick Lane: Trombone
Larry Klimas: Tenor Saxophone
Gerry Beckley & Tomothy B. Schmit: Back Vocals
Robert’s experimentelle synthetische “Nylon String Guitar” gibt
dem Brass-Pop-Song ein klassisches, „wie im Mittelalter zu Hofe”-
Soundfeeling, eine Brasssektion erinnert wieder an alte Chicago-Tage
und die Lyrics laden zum Träumen unterm Mondlicht ein.
4. Gimme Gimme
(H. Linderman/R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Piano, Loops, Samples, Percussion
Hank Linderman: Electric Guitar, Electric Sitar, Bass, Loops, Samples,
Percussion
Keith Howland: Electric Guitar, Brass Ensemble
Chris Pinnick: Electric Guitar, Raga
Lee Loughnane: Trumpet
Nick Lane: Trombone
Larry Klimas: Tenor Saxophone
Hier zeigt
Robert, dass er auch noch richtig „rocken“ kann:
Ein flotter Hardrock-Brasspop- Song, psychedelisch- mit Sitars und
Ragas Ethno- angehaucht. Die effektvollen Bläser erinnern an Chicago,
die Gitarrenschwadron an „The Who“. Im Text geht es um
den Wahnsinn der „Grammys“- „Emmys“, „Oscar“, „Golden
Globes“ und sonstigen Preis- und Showveranstaltungen im amerikanischen
Fernsehen.
5. Another Sunday
(G. Beckley/R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Acoustic Piano, Rhytm Guitar, Vibes, Loops,
Samples, Percussion
Hank Linderman: Loops, Samples, Percussion
Greg Eicher: Upright Acoustic Bass
Tris Imboden: Drums
Lee Louhnane: Flügelhorn
Nick Lane: Trombone
Larry Klimas: Tenor Saxophone
Gerry Beckley: Back Vocals
Eingeleitet
wird der Song mit einem mächtigen kurzen Piano-Intro
von Robert, und schon geben die Bläser den Ton an. Nun erlebt
man wunderschönen Swingjazz- Pop mit intellektueller Lyric, wo
Robert auch mit einem kurzen Pianosolo brilliert. Hier spielt er auch
gekonnt die Rhythmusgitarre. Beschwingt und leicht mit Vibraphon- Verzierung
und einer klassischen Jazz- Besetzung kann man in den Sonntag hineinträumen....
6. For You, Kate
(R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Fender Rhodes, Acoustic Piano, Loops, Samples,
Percussion
Hank Linderman: Acoustic Guitar, Loops, Samples, Percussion
Jason Scheff: Upright Electric Bass
Tris Imboden: Drums
Walt Parazaider: Alto Flute
Lee Loughnane: Flügelhorn
Nick Lane: Trombone
Diesen
Song schrieb Robert für seine zweite Tochter Kate. Ein
sanfter Bossa-Nova-Jazzer mit überaus lieblichen Fender Rhodes
und Piano- Klängen, anmutigen Bläsern und makellos verjazztem
Bassspiel von Jason Scheff entstand daraus.
7. It’s
Always Something
(T. Imboden/R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Roland Synth Pads, Strings, Acoustic Piano,
Back Vocals, Loops, Samples, Percussion
Jason Scheff: Lakland 6-String Bass
Hank Linderman: Electric Guitar, Back Vocals, Loops, Samples, Percussion
Tris Imboden: “V-Drums”, Harmonica
Keith Howland: Electric Guitar Solo
Ein Song,
der das 11. September-Trauma verarbeitet, er versucht, eine Antwort
darauf zu geben. Er ist aber keine klagende
Jammer-Ballade
sondern ein moderner Elektro-Jazz-Rocker mit effektvoll verfremdeten
Drums (Tris Imboden am elektronischen „V-Drum“) treibenden
Bass und vertrackten Solis von Robert am Piano und Keith Howland an
der Gitarre.
8. Intensity
(R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Acoustic Guitar, Organ
Terry Kath: Guitar
Jason Scheff: Bass
Lee Loughnane: Trumpet
Nick Lane: Trombone
Larry Klimas: Tenor & Baritone Saxophones
Der Song,
auf den alle am meisten gespannt waren, es soll ja Terry Kath darauf
mitspielen. Das tut er auch, in einem restaurierten
Sample
(eine wiedergefundene Kassette von 1972 wurde im Klang annähernd
auf den heutigen Stand gebracht) spielt er ein für sich typisches
Gitarrensolo.
Ansonsten ist der Song ein sehr gelungener Soul-Funk-Rocker mit Motown-Bläsern
und ein Robert Lamm, der mit seiner verfremdeten Gesangsstimme und
seiner Rhythmusgitarre die Coolness des Songs auf die Spitze treibt.
9. You’re
My Sunshine Everyday
(P. Huxley/R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Wah Clavinet, Loops, Samples, Percussion
Hank Linderman: Guitar, Back Vocals, Loops, Samples, Percussion
Jason Scheff: Lakland 6-String Bass
Lee Loughnane: Trumpet
Nick Lane: Trombone
Larry Klimas: Tenor Saxophone
Ja, einen
Reggae kann Robert auch abliefern, man höre und staune,
hier singt Robert den einfachen Reggae-Brass-Lovesong so lässig
und gekonnt, als hätte er sonst in seinem ganzen Leben nichts
anderes gemacht. Zwar der „kommerziellste“ und einfachste
Song dieses Albums, aber trotzdem noch „Lamm-Artig“.
10. You Never Know The Story
(M. Grebb/R. Lamm)
Robert
Lamm: Lead Vocals, “Nylon String Guitar Synth”,
Keyboards, Samples Loops, Percussion
Hank Lindermann: Acoustic Guitar, Samples, Loops, Percussion
Jason Scheff: Fender Bass
Marty Grebb: Electric Guitar/Bridge, Vocals
Lee Loughnae: Muted Trumpet
Diesen
wunderschönen modernen Song im R&B-Jazz-Soulgewand
schrieb Robert in der Rohfassung zusammen mit Marty Grebb, bevor er
für eine kurze Zeit zusammen mit Chicago spielte.
Ein wahrer Jungbrunnen an sanften Gitarrenklängen, zuckersüßen
Keyboardsounds und traumhaften Chorgesängen. Die gestopfte Trompete
von Lee entwickelt ein cooles Jazzklima und man wird wiederum Zeuge
von Robert variationsreicher Gesangsstimme.
11. It’s
A Groove This Life
(R. Lamm)
Robert Lamm: Lead Vocals, Fender Rhodes, Synths, Back Vocals, Loops,
Samples, Percussion
Hank Linderman: Acoustic Guitars, Loops, Samples, Percussion
Jason Scheff: Vintage Fender Precision Bass
Walt Parazaider: Alto Flute
Lee Loughnane: Trumpet, Flügelhorn
Nick Lane: Trombone
Eigentlich
war dieser Song für Robert Lamm’s nichtveröffentlichtes „Brasilianisches
Album“ gedacht, nun hat er hier eine Chance. Gott sei Dank, denn
dieser Song ist ein Bossa-Nova-Pop-Jazzsong der seltenen Art. Der Anfangsakkord
von Robert’s Rhodes und die Melodie seines Synths zieht sich
wie ein roter Faden durch den ganzen Song, wunderschön begleitet
im Bossa-Nova-Rhythmus von Hank’s Gitarre. Bassdruck kommt von
Jason Scheff’s Vintage Precision Bass, der hier James Jamerson
(der legendäre Motown-Bassist) nacheifert. Latino- Bläser
geben den nötigen Schub und intelligente Lyric in Kombination
mit Robert’s ansprechendem Gesang verheißen schon fast Übersinnliches.
Einzig und allein die etwas blutarm programmierten Drums- und Percussions
gibt es zu bemängeln.
Bewertung:
8-10 Punkte (von 10)